15. Gefühle
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Persönliches Logbuch Lt. Nick Sherdan

Nach dem Verlassen der Krankenstation blieb Sherdan für einen Moment auf dem Gang stehen. Endlich hatte er Dienstschluss. Mit den Gedanken war er aber immer noch bei dem neuen Arzt der Invisible. Ein vulkanischer Captain...ein vulkanischer Arzt...

Sherdan machte sich Gedanken darüber, wie die Crew wohl das neue Mitglied in die Gemeinschaft integrieren würde. Vulkanier waren nicht gerade sehr unterhaltsame Leute und konnten manch einen mit ihrer Logik und den streng kontrollierten Gefühlen an den Rand der Fassung bringen. Gerade von einem Arzt erwarteten die meisten Humanoiden Mitgefühl und Zuwendung. Häufig spielte das sogar eine größere Rolle, als das Vertrauen in dessen Fähigkeiten. Zudem hatte der Arzt auf Schiffen der Föderation auch die gleiche Stellung, wie ein erster Offizier. Schließlich war er auch berechtigt, dem Captain das Kommando zu entziehen, wenn es notwendig sein sollte. Sicher konnte ein vulkanischer Arzt wesentlich besser beurteilen, wie es um den Gesundheitszustand eines Vulkaniers bestellt ist. Jedoch hätte sich Nick Sherdan gerade in dieser Position ein gewisses Gegengewicht zur vulkanischen Logik gewünscht.

Inzwischen hatte sich Sherdan wieder in Bewegung gesetzt und lief den Gang entlang, während er immer noch in Gedanken versunken war.

Bemerkenswert an Dr. Somak war allerdings, dass er ein umfangreiches Studium der menschlichen Psychologie absolviert hatte. Das brachte ihn auch den Unmut von Kollegen in seiner Heimat ein. Denn bei seinem Studium hatte Somak eine Reihe von Selbsterfahrungs-Experimenten gemacht, die an den Grundfesten der vulkanischen Kultur rüttelten. So hatte er häufig bewusst die Kontrolle seiner Gefühle gelockert, um das emotionale Verhalten von Menschen in Konfliktsituationen nachvollziehen zu können. Das betrafen sowohl psychologisches Fehlverhalten, als auch ganz normale, aber intensive Erlebnisse, wie z.B. Wut, Furcht, Euphorie oder...Liebe.

Nick blieb abrupt stehen und orientierte sich. Er war so mit seinen Gedanken beschäftigt gewesen, dass er gar nicht bewusst wahrgenommen hatte, wohin ihn seine Schritte lenkten. Ein Lächeln schlich sich auf sein Gesicht und er schüttelte über sich selbst den Kopf. Vor ihm lag die Tür zu Counsellor Quints Quartier. In diesem Moment war er sehr froh, dass es in seiner Kultur nicht üblich war, Gefühle zu unterdrücken. Entschlossen betätigte er den Türsummer. Als die Tür zur Seite glitt, trat er entschlossen ein.

Sophie stand gerade am Fenster und hatte sich zu ihm umgedreht. Nick bemerkte, dass auch sie wohl gerade in Gedanken versunken gewesen war. „Hallo Sophie, ich kam gerade vorbei und da dachte ich...“ Sophie fing zu Lachen an. „Ja ja, komm, hör schon auf! Von wegen 'gerade vorbeigekommen'... Komm setzt dich, kann ich dir was anbieten?“

„Hm... ein Altair-Wasser vielleicht...“, sagte Nick und ließ sich auf die Couch fallen. „Bitte??? Ein Altair-Wasser? Kein terranisches Bier oder so? Du erstaunst mich jetzt aber! Wie kommt’s denn?“, fragte Sophie amüsiert. „Ach, mir ist gerade danach. Ich habe eben unseren neuen Schiffsarzt sein Quartier gezeigt und anschließend auf die Krankenstation begleitet. Wahrscheinlich steckt die vulkanische Kultur ein wenig an.“ „Den neuen Schiffsarzt? Dr. Somak? Ich hab seine Unterlagen schon gestern überspielt bekommen. Wie ist er denn so?“, hakte Sophie nach, während sie ein frisch repliziertes Glas Altair-Wasser vor Sherdan auf dem Tisch abstellte. „Danke.“ Der Lieutenant nahm einen tiefen Schluck und erwiderte: „Wie ist er? Nun ja, wie Vulkanier eben so sind... äußerst korrekt eben. Wobei... irgendwie anders ist er aber doch. Freundlicher. Umgänglicher. Wahrscheinlich hängt das mit seinen Selbsterfahrungskursen beim Studium der menschlichen Psyche zusammen.“ „Ich hab davon in den Profil-Dateien gelesen.“, sagte Sophie. „Es ist ungewöhnlich für Vulkanier, sich mit solchen Themen derart intensiv zu befassen. Aber es fasziniert mich. Ich bin wirklich schon gespannt auf ihn und würde mich auch sehr gerne mit ihm über seine Erfahrungen unterhalten.“ Sophie nahm neben Nick auf der Couch Platz.

Sherdan grinste. „Dir imponiert es wohl, wenn jemand die Kontrolle über seine Gefühle aufgibt, hm?“ Sophie lächelte verschmitzt. „Tja... warum nicht? Wenn dabei auch für mich etwas herausspringt?“ Sophie legte einen Arm auf die Lehne der Couch, stütze ihren Kopf auf den Unterarm und musterte aus dieser Position Sherdans Gesicht, das nun ganz nahe vor ihr war. Nick merkte, wie sich ein Ziehen in seinem Bauch bemerkbar machte und schaute Sophie an... direkt in ihre Augen... Er spürte, wie sich sein Atem merklich beschleunigte. Sophies Atem streifte sein Gesicht. Wie von selbst berührten seine Finger ihren anderen Arm und strichen darüber hinweg. „Ich finde solche Selbsterfahrungskurse auch gar nicht so übel“, flüsterte er. Eine Hitzewelle stieg bis in seinen Kopf. Ihre Lippen näherten sich immer weiter... bis sie sich schließlich trafen... flüchtig erst nur. Doch dann schien sich alle angestaute Energie in einem langen leidenschaftlichen Kuss zu entladen. Nick zog Sophie zu sich heran, umarmte sie und hielt sie so fest, als ob er sie nie wieder loslassen wollte. Sophie legte ihre Hand in Nicks Nacken und kraulte seine Hinterkopf. Ihr Atem ging heftig. „Ich glaube, dass wird wohl ein längeres Experiment, hm?“, sagte sie mit ihrem unverwechselbaren verschmitzten Lächeln, als sie sich endlich wieder in die Augen blickten. „Na, das will ich doch ganz stark hoffen“, grinste Sherdan und holte sich noch einen Kuss von Sophies Lippen...


Persönliches Logbuch Counsellor Sophie Quint

Sophie atmete tief durch. Sie genoss diesen Moment mit Nick hier in ihrem Quartier. So etwas hatte der Counsellor der Invisible noch nie in ihrem Leben erlebt. Wenn die junge Betazoidin mit dem Marsianer zusammen war, hatte sie das Gefühl – dass alles stimmte...

Die Gedankengänge Nicks und ihre waren sich sehr ähnlich – und dennoch waren sie Beide zwei selbständige Persönlichkeiten. Für eine Betazoidin war es besonders wichtig, dass die Seelen zweier Liebenden zusammen passten. In „normalen“ Beziehungen konnte der eine dem anderem etwas vortäuschen – aber bei Beziehungen mentalbegabten Lebewesen war das „Innenleben“, die Gedankenwelt viel wichtiger, als zum Beispiel das Aussehen.

Sophie war glücklich. Sie hatte zum einen diese Verbundenheit mit Nick Sherdan und zum anderem fand sie ihn äußeres attraktiv. Die dunkelhaarige Frau öffnete langsam die Augen und blinzelte.

Plötzlich aber sprang sie auf, nahm die Hand Nicks und zog ihn mit den Worten: „Komm – ich hab 'ne Idee“ hinaus auf den Flur. Nick wusste gar nicht so schnell, was mit ihm passierte. Als sie beide vor der Tür des Holodeckes standen, befahl Sophie: „Computer, Holoprogramm Quint Delta/t initiieren!“ „Sophie, was hast du mit mir vor?“, fragte Nick leise und lies sich bereitwillig von Sophie auf das Holodeck ziehen.

Als sich die Schotts hinter den Beiden wieder geschlossen hatte drehte Nick sich langsam um seine eigene Achse. Er erblickte einen großen, hohen, vertäfelten Saal. In diesem Saal, in den etwa 200 Personen Platz gehabt hätten, tanzten etwa 50 Paare – nach Musik aus den Anfängen des 20. Jahrhunderts.

Die Betazoidin lächelte spitzbübisch und verschwand in der Menge, um gleich darauf mit zwei Gläser Sekt in der Hand wieder zu erscheinen. „Hier bitte, lass uns anstoßen!“, flüsterte Sophie Nick in das rechte Ohr.

Nick erhob feierlich das Glas und sprach: „Auf uns Beide! Auf unsere Zukunft!“ Sophie lachte und trank aus ihrem Glas, das sie anschließend auf eine Tisch in der Nähe stellte.

Nick nahm Sophie gleich darauf in den Arm und begann zu tanzen.

 

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