Logbuch Lt. Nick Sherdan
Nick
kam aus dem Staunen nicht mehr heraus. Er trauten seinen Augen
kaum, was er auf den Monitoren sah. Kurz entschlossen nahm er
ein paar Schaltungen vor. "Captain, das sollten Sie sich
ansehen - ich schalte es auf den Schirm."
Die gesamte Brückenmannschaft schaute nun nach vorn, um das
Schauspiel mitzuerleben. Nur Sherdan beobachtete noch weiter seine
Station, wo mehrere Anzeigen gleichzeitig liefen. Er kam sich
zum Teil vor, wie der Regisseur einer Live-Übertragung. Die
Diagramme hüpften durcheinander wie im Takt einer unbekannten
Musik. Die Nah- und Mittelstreckensensoren lieferten ununterbrochen
Datenströme, die Nick nur schwer einordnen konnte. Im Subraum
schien die Hölle los zusein. Die magnetische und Hintergrund-Subraumstrahlung
der Umgebung war auf ein Hundertfaches des Normalwertes angestiegen
und die Sonne Goar Rima schleuderte mit Unmengen an Energie, die
ihre Standardstrahlung um ein Vielfaches übertraf. Nick hatte
den Eindruck, als rühre jemand mit einem riesigen Kochlöffel
im Energiehaushalt des Sonnensystems herum.
Was ihn fast schockte, war die Tatsache, dass auch benachbarte
Systeme ähnlich Energiesignaturen aufwiesen. "Captain,
es ist unglaublich, aber es sieht so aus, als ob der gesamte Sektor
energetisch auf den Kopf gestellt werden würde.
TPau
trat an Sherdans Station und überflog die Schirme. "Wir
werden später die genauen Auswertungen machen. Jetzt ist
nur wichtig, ob das Schiff in Gefahr ist. Können Sie dazu
eine Aussage treffen? Sollten wir den Sektor umgehend verlassen?"
"Ich rate dringend davon ab, den Warpantrieb zu benutzen,
Captain. Durch die massiven und vor allem unvorhersehbaren Instabilitäten
kann keine Voraussage getroffen werden, welche Wechselwirkungen
das Warpfeld in dem ganzen Durcheinander haben wird. Es tut mir
leid, aber momentan ist das Beste was wir derzeit tun können,
abzuwarten bis der Sturm sich gelegt hat. Wenn er es denn tut."
In TPaus Gesicht war keine Regung zu erkennen, woraus sich
ableiten ließ, was sie dachte. Sie zog nur leicht die linke
Augenbraue hoch und wandte sich wieder dem Hauptschirm zu. Sie
vertraute ihrer Mannschaft.
Derweil
gab es auch auf der Planetenoberfläche sichtliche Veränderungen.
Die Stelle, an der sich Ziiolo befand, die Stelle, wo das Schiffswrack
lag, die gesamte Umgebung wurde plötzlich in ein waberndes
Leuchten gehüllt. Die Sonnenenergie brachte die Atmosphäre
in diesem Bereich zum Glühen und wurde regelrecht in den
felsigen Boden gesogen, der zu schmelzen schien. Risse taten sich
auf, ein Teil des Erdreiches stürzte in sich zusammen. Glitzernde
Stränge kamen auf der neuen Oberfläche zum Vorschein,
die blendend das Sonnenlicht reflektierten. Der Planet wurde von
einem heftigen Beben erschüttert.
Der neue erste Offizier murmelte ergriffen: "Es ist wie eine
Geburt."
"Es IST eine Geburt, Commander.", stellte Sophie Quint
fest, die gerade auf der Brücke eintraf. "Ziiolo wird
in seinen wahren Lebensraum entlassen. Sehen Sie nur...",
sprach sie staunend und deutete auf den Schirm, der die Planetenoberfläche
zeigte. Eine riesige Staubwolke hatte sich gebildet, türmte
sich immer höher auf, bis ihr Gipfel von einem Gleißen
durchschnitten wurde. Zum Vorschein kam ein riesiger sternförmiger
Kristall, der auf die Invisible zuhielt. Kaum ein Besatzungsmitglied
konnte verkennen, WAS da auf sie zuraste und fast jedem stockte
der Atem. Zu gut kannten sie die Berichte von den ausgemerzten
Kolonien und den Erlebnissen der Enterprise D. Die aufbrausende
Angst war förmlich zu riechen. Nur Sophie trat näher
an den Schirm heran. Ihre Augen glänzten vor Erregung. Und
sie fing an zu sprechen...
"Welch
unfassbare Schönheit... glücksseelige Harmonie... endlich!"
Sherdan drehte sich zum Hauptschirm und starrte Sophie an. Endlich
begriff er, dass es nicht der Counsellor war, der da sprach. Es
waren die Gedanken Ziiolos, die sie hörten. "Wie lange
haben wir darauf gewartet..." Wir? Nick wandte sich wieder
seinen Kontrollen zu und entdeckte, wie sich plötzlich immer
mehr Subraumspalten im System bildeten. Jeder Spalte entströmte
ein Kristallwesen. 50.. 80.. Hunderte! Ein Counter zählte
mit und blieb nach einer Weile schließlich bei 447 stehen.
Die Flugbahn der Wesen extrapolierend errechnete der Computer
einen Punkt zwischen den inneren drei Planeten, der das Ziel der
Kristalle sein musste. Genau am Schneidepunkt baute sich inzwischen
ein Subraumfeld von unglaublicher Stärke auf. Wie stark es
letztendlich werden würde, konnte der Computer jedoch vorläufig
noch nicht ermitteln. Doch da man sowieso nichts unternehmen konnte,
blieb nur die Hoffnung, dass dem Schiff kein ernsthafter Schaden
drohte.
"Aus
Zweien wurde ein neues Drittes geboren. Im Schutz dieser Galaxie
konnten die Cappa-uzo sich endlich ihrer Geißel entledigen.
Sie sind nicht mehr gezwungen, Leben auszulöschen, um zu
überleben."
Auch TPau zog nun die richtigen Schlüsse und fragte
Sophie: "Welche zwei? Woraus entstand das Dritte?" -
"Die Cappa-aetas - die alten Kristallwesen aus der Heimatglaxie
sind die Einen. Die Sapinoris, das Volk aus eurer Galaxis, sind
die Zweiten. Sie haben über die Hälfte ihres Volkes
geopfert, nur damit wir weiterleben können. Sie siedelten
sich auf den Planeten an, wo wir entstanden, um uns zu umsorgen
und zu schützen. Dieser Verlust muss für eure übrigen
Völker unermesslich sein.... Wir danken euch allen für
dieses unglaubliche Geschenk! Das Bewusstsein von Moral, Ethik
und dem Verständnis des Universums ist unglaublich erhebend.
Wir werden ihr Vermächtnis in Ehren halten und vertreten,
wo es uns möglich sein wird, denn sie sind nun ein Teil von
uns. Dadurch sind wir entstanden - dadurch werden wir leben!"
Während Sophie Ziiolos Gedanken wiedergab, näherten
sich die "Schneeflocken" immer mehr dem Punkt, in der
der Subraum verrückt zu spielen schien. TPau schien
zu spüren, das nicht mehr viel Zeit blieb. "Was wird
nun geschehen? Wohin geht ihr?" - "Habt keine Angst.
Wir kehren dahin zurück, woher wir kamen. Endlich! ... Noch
sind wir wenige. Aber irgendwann, wenn wir wieder ein richtiges
Volk sind, kehren wir vielleicht zurück. Um euch unsere Dankbarkeit
zu beweisen..." Das Gesicht des Captains ließ nicht
erkennen, was in ihren Gedanken ablief. TPau spürte
nur, dass die Zeit viel zu schnell verrann. "Wann wird das
sein?" Sophie schwieg. Nur das Zwitschern der Konsolen erfüllte
den Raum. Alle starrten wie hypnotisiert auf den Frontschirm.
Endlich kam eine Antwort: "Wir hoffen, euch dann noch zu
treffen. Jahrtausende sind für uns nur EIN Leben... Habt
Dank für all die Hilfe. Wir werden es nie vergessen!"
Die
Invisible wurde erschüttert, als sich ein bläulich schimmerndes
kugelförmiges Feld zwischen den 3 inneren Planeten aufbaute.
Drei scheinbar stehende Blitze ließen sich nur erahnen,
die von den Himmelskörpern zu der Stelle im Raum flossen,
an der sich die Kristalle versammelt hatten. Anschließend
erloschen plötzlich alle messbaren Unregelmäßigkeiten,
die bisher die Anzeigen so wild tanzen ließen. Es war, als
ob ein Gewitter abgezogen ist. Doch da erfolgte eine unglaublich
riesige Eruption von der Sonne aus, schoss auf das bläuliche
Feld zu und wandelte sein Glühen in einen gleißenden
Goldton. Die Filter der Außenkameras dämpften automatisch
die Energieflut und nun konnte man erkennen, wie die Kristalle
in einem schwarzem, lichtschluckendem Feld in der Mitte der blauen
Kugel nacheinander verschwanden. Ziiolo war der letzte Kristall.
Hinter ihm kollabierte das Feld und auch das blaue Kugelfeld brach
in sich zusammen. Nick überflog alle Anzeigen an seinem Platz
und schrie: "Captain! Die Sonne kollabiert!" Augenblicklich
befahl Mareedo: "Blackwell - vollen Schub! Weg von hier mit
Maximum Warp!" Als ob der Navigator nur darauf gewartet hätte,
gab er mit traumwandlerischer Sicherheit einen Kurs ein und die
Invisible raste vor der Schockwelle der Supernova davon...
Die
Invisible war wieder in Sicherheit. Nick eilte besorgt zu Sophie,
die immer noch wie hypnotisiert vor dem Sichtschirm stand, drehte
sie zu sich herum und schaute sie an. "Oh Nick... Es war
so unglaublich... dieses neue Leben zu spüren...wie es eine
neue Welt für sich entdeckt..." In ihren Augen sah Sherdan,
dass sie damit nicht nur die Kristallwesen meinte. Dazu musste
er nicht einmal ihre Gedanken lesen. Er verstand auch so, was
sie meinte. Wahrscheinlich konnte sonst nur eine liebevolle Mutter
so fühlen. "Ich weiß...", konnte er nur hervor
bringen und umarmte sie, damit sie nicht sah, wie ihm die Tränen
in die Augen stiegen...
"Mr. Blackwell, setzten Sie Kurs auf Deep Space Nine.",
hörte er den Captain noch befehlen...
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