34. Heimreise
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Logbuch Lt. Nick Sherdan

Nick kam aus dem Staunen nicht mehr heraus. Er trauten seinen Augen kaum, was er auf den Monitoren sah. Kurz entschlossen nahm er ein paar Schaltungen vor. "Captain, das sollten Sie sich ansehen - ich schalte es auf den Schirm."
Die gesamte Brückenmannschaft schaute nun nach vorn, um das Schauspiel mitzuerleben. Nur Sherdan beobachtete noch weiter seine Station, wo mehrere Anzeigen gleichzeitig liefen. Er kam sich zum Teil vor, wie der Regisseur einer Live-Übertragung. Die Diagramme hüpften durcheinander wie im Takt einer unbekannten Musik. Die Nah- und Mittelstreckensensoren lieferten ununterbrochen Datenströme, die Nick nur schwer einordnen konnte. Im Subraum schien die Hölle los zusein. Die magnetische und Hintergrund-Subraumstrahlung der Umgebung war auf ein Hundertfaches des Normalwertes angestiegen und die Sonne Goar Rima schleuderte mit Unmengen an Energie, die ihre Standardstrahlung um ein Vielfaches übertraf. Nick hatte den Eindruck, als rühre jemand mit einem riesigen Kochlöffel im Energiehaushalt des Sonnensystems herum.
Was ihn fast schockte, war die Tatsache, dass auch benachbarte Systeme ähnlich Energiesignaturen aufwiesen. "Captain, es ist unglaublich, aber es sieht so aus, als ob der gesamte Sektor energetisch auf den Kopf gestellt werden würde.

T’Pau trat an Sherdans Station und überflog die Schirme. "Wir werden später die genauen Auswertungen machen. Jetzt ist nur wichtig, ob das Schiff in Gefahr ist. Können Sie dazu eine Aussage treffen? Sollten wir den Sektor umgehend verlassen?"
"Ich rate dringend davon ab, den Warpantrieb zu benutzen, Captain. Durch die massiven und vor allem unvorhersehbaren Instabilitäten kann keine Voraussage getroffen werden, welche Wechselwirkungen das Warpfeld in dem ganzen Durcheinander haben wird. Es tut mir leid, aber momentan ist das Beste was wir derzeit tun können, abzuwarten bis der Sturm sich gelegt hat. Wenn er es denn tut."
In T’Paus Gesicht war keine Regung zu erkennen, woraus sich ableiten ließ, was sie dachte. Sie zog nur leicht die linke Augenbraue hoch und wandte sich wieder dem Hauptschirm zu. Sie vertraute ihrer Mannschaft.

Derweil gab es auch auf der Planetenoberfläche sichtliche Veränderungen. Die Stelle, an der sich Ziiolo befand, die Stelle, wo das Schiffswrack lag, die gesamte Umgebung wurde plötzlich in ein waberndes Leuchten gehüllt. Die Sonnenenergie brachte die Atmosphäre in diesem Bereich zum Glühen und wurde regelrecht in den felsigen Boden gesogen, der zu schmelzen schien. Risse taten sich auf, ein Teil des Erdreiches stürzte in sich zusammen. Glitzernde Stränge kamen auf der neuen Oberfläche zum Vorschein, die blendend das Sonnenlicht reflektierten. Der Planet wurde von einem heftigen Beben erschüttert.
Der neue erste Offizier murmelte ergriffen: "Es ist wie eine Geburt."
"Es IST eine Geburt, Commander.", stellte Sophie Quint fest, die gerade auf der Brücke eintraf. "Ziiolo wird in seinen wahren Lebensraum entlassen. Sehen Sie nur...", sprach sie staunend und deutete auf den Schirm, der die Planetenoberfläche zeigte. Eine riesige Staubwolke hatte sich gebildet, türmte sich immer höher auf, bis ihr Gipfel von einem Gleißen durchschnitten wurde. Zum Vorschein kam ein riesiger sternförmiger Kristall, der auf die Invisible zuhielt. Kaum ein Besatzungsmitglied konnte verkennen, WAS da auf sie zuraste und fast jedem stockte der Atem. Zu gut kannten sie die Berichte von den ausgemerzten Kolonien und den Erlebnissen der Enterprise D. Die aufbrausende Angst war förmlich zu riechen. Nur Sophie trat näher an den Schirm heran. Ihre Augen glänzten vor Erregung. Und sie fing an zu sprechen...

"Welch unfassbare Schönheit... glücksseelige Harmonie... endlich!" Sherdan drehte sich zum Hauptschirm und starrte Sophie an. Endlich begriff er, dass es nicht der Counsellor war, der da sprach. Es waren die Gedanken Ziiolos, die sie hörten. "Wie lange haben wir darauf gewartet..." Wir? Nick wandte sich wieder seinen Kontrollen zu und entdeckte, wie sich plötzlich immer mehr Subraumspalten im System bildeten. Jeder Spalte entströmte ein Kristallwesen. 50.. 80.. Hunderte! Ein Counter zählte mit und blieb nach einer Weile schließlich bei 447 stehen. Die Flugbahn der Wesen extrapolierend errechnete der Computer einen Punkt zwischen den inneren drei Planeten, der das Ziel der Kristalle sein musste. Genau am Schneidepunkt baute sich inzwischen ein Subraumfeld von unglaublicher Stärke auf. Wie stark es letztendlich werden würde, konnte der Computer jedoch vorläufig noch nicht ermitteln. Doch da man sowieso nichts unternehmen konnte, blieb nur die Hoffnung, dass dem Schiff kein ernsthafter Schaden drohte.

"Aus Zweien wurde ein neues Drittes geboren. Im Schutz dieser Galaxie konnten die Cappa-uzo sich endlich ihrer Geißel entledigen. Sie sind nicht mehr gezwungen, Leben auszulöschen, um zu überleben."
Auch T’Pau zog nun die richtigen Schlüsse und fragte Sophie: "Welche zwei? Woraus entstand das Dritte?" - "Die Cappa-aetas - die alten Kristallwesen aus der Heimatglaxie sind die Einen. Die Sapinoris, das Volk aus eurer Galaxis, sind die Zweiten. Sie haben über die Hälfte ihres Volkes geopfert, nur damit wir weiterleben können. Sie siedelten sich auf den Planeten an, wo wir entstanden, um uns zu umsorgen und zu schützen. Dieser Verlust muss für eure übrigen Völker unermesslich sein.... Wir danken euch allen für dieses unglaubliche Geschenk! Das Bewusstsein von Moral, Ethik und dem Verständnis des Universums ist unglaublich erhebend. Wir werden ihr Vermächtnis in Ehren halten und vertreten, wo es uns möglich sein wird, denn sie sind nun ein Teil von uns. Dadurch sind wir entstanden - dadurch werden wir leben!"
Während Sophie Ziiolos Gedanken wiedergab, näherten sich die "Schneeflocken" immer mehr dem Punkt, in der der Subraum verrückt zu spielen schien. T’Pau schien zu spüren, das nicht mehr viel Zeit blieb. "Was wird nun geschehen? Wohin geht ihr?" - "Habt keine Angst. Wir kehren dahin zurück, woher wir kamen. Endlich! ... Noch sind wir wenige. Aber irgendwann, wenn wir wieder ein richtiges Volk sind, kehren wir vielleicht zurück. Um euch unsere Dankbarkeit zu beweisen..." Das Gesicht des Captains ließ nicht erkennen, was in ihren Gedanken ablief. T’Pau spürte nur, dass die Zeit viel zu schnell verrann. "Wann wird das sein?" Sophie schwieg. Nur das Zwitschern der Konsolen erfüllte den Raum. Alle starrten wie hypnotisiert auf den Frontschirm. Endlich kam eine Antwort: "Wir hoffen, euch dann noch zu treffen. Jahrtausende sind für uns nur EIN Leben... Habt Dank für all die Hilfe. Wir werden es nie vergessen!"

Die Invisible wurde erschüttert, als sich ein bläulich schimmerndes kugelförmiges Feld zwischen den 3 inneren Planeten aufbaute. Drei scheinbar stehende Blitze ließen sich nur erahnen, die von den Himmelskörpern zu der Stelle im Raum flossen, an der sich die Kristalle versammelt hatten. Anschließend erloschen plötzlich alle messbaren Unregelmäßigkeiten, die bisher die Anzeigen so wild tanzen ließen. Es war, als ob ein Gewitter abgezogen ist. Doch da erfolgte eine unglaublich riesige Eruption von der Sonne aus, schoss auf das bläuliche Feld zu und wandelte sein Glühen in einen gleißenden Goldton. Die Filter der Außenkameras dämpften automatisch die Energieflut und nun konnte man erkennen, wie die Kristalle in einem schwarzem, lichtschluckendem Feld in der Mitte der blauen Kugel nacheinander verschwanden. Ziiolo war der letzte Kristall. Hinter ihm kollabierte das Feld und auch das blaue Kugelfeld brach in sich zusammen. Nick überflog alle Anzeigen an seinem Platz und schrie: "Captain! Die Sonne kollabiert!" Augenblicklich befahl Mareedo: "Blackwell - vollen Schub! Weg von hier mit Maximum Warp!" Als ob der Navigator nur darauf gewartet hätte, gab er mit traumwandlerischer Sicherheit einen Kurs ein und die Invisible raste vor der Schockwelle der Supernova davon...

Die Invisible war wieder in Sicherheit. Nick eilte besorgt zu Sophie, die immer noch wie hypnotisiert vor dem Sichtschirm stand, drehte sie zu sich herum und schaute sie an. "Oh Nick... Es war so unglaublich... dieses neue Leben zu spüren...wie es eine neue Welt für sich entdeckt..." In ihren Augen sah Sherdan, dass sie damit nicht nur die Kristallwesen meinte. Dazu musste er nicht einmal ihre Gedanken lesen. Er verstand auch so, was sie meinte. Wahrscheinlich konnte sonst nur eine liebevolle Mutter so fühlen. "Ich weiß...", konnte er nur hervor bringen und umarmte sie, damit sie nicht sah, wie ihm die Tränen in die Augen stiegen...
"Mr. Blackwell, setzten Sie Kurs auf Deep Space Nine.", hörte er den Captain noch befehlen...

 

~~~      E N D E      ~~~

 

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