11. Wandle Wut in Kraft!
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Logbucheintrag Chefingenieur Calhoun

Es war schon kurz nach 22.00h Schiffszeit als Mac Calhoun bei Sophie Quints Quartier klingelte. „Hallo Counsellor, wie geht ’s dir?“, fragte Calhoun. „Entschuldige meine Verspätung. Die Ausbildung an dem neuen Shuttle hat ein wenig aufgehalten.“ Sophie lächelte und begrüßte ihn sehr herzlich. „Gut geht’s mir, danke. Also, was meinst du, wollen wir uns über die Ausbildung deiner Fähigkeiten unterhalten?“

Das war der Teil, vor dem es Calhoun graute. Er wollte sicherlich, dass die telepatischen Fähigkeiten ausgebaut werden, aber er machte sich Sorgen wegen Sophies Anwesenheit. Seit Mac den Borg zum Opfer gefallen war, ging eine sehr schnelle Veränderung mit ihm voran. Der Tatsache, dass er dagegen nichts unternehmen konnte, erfüllte ihn mit einer nie dagewesenen Hilflosigkeit, die er nur schwer in Worte fassen konnte. Da kam der Counsellor mit ins Spiel.

Mac war froh, dass die Gefühle zwischen ihnen beiden nun auf die richtige Bahn in Richtung Freundschaft gelenkt wurden und fühlte sich bei ihr wohl. „Du möchtest also, dass ich dir von der Borg-Geschichte erzähle, oder?“, erkundigte sich Mac. „Es fällt dir sicher zu Anfang sehr schwer. Aber glaub mir, es wird, je mehr du erzählst, immer leichter für dich. Ich höre dir geduldig zu und unterstütze dich, wo es geht.“ So bereitete Sophie ihren Patienten auf das bevorstehende Gespräch vor, so gut es ging. Sie war recht zuversichtlich, sein Leiden lindern zu können und dabei die Fähigkeiten, die Mac durch diesen Unfall erhalten hatte, ausbilden zu können.

Mac wurde von einer Gefühlswelle überrascht und wusste im ersten Augenblick nicht, was er dagegen unternehmen sollte. Er ließ es über sich ergehen, aber nicht ohne Zweifel. „Wie schnell können wir das in den Griff bekommen, Sophie? Ist sicherlich nicht unbedingt leicht.“


Logbucheintrag Counsellor Quint

„Langsam, Mac. So schnell wie du das gerne hättest geht es nicht! Eines muss dir bewusst sein – du brauchst Zeit. Zum einen, um dich in der neuen Situation zurecht zu finden und gewisse mentale Fähigkeiten sowie gewisse Schutzmechanismen zu entwickeln. Und zum anderen ist es wichtig, dass du deine Erlebnissen mit den Borg verarbeitest, denn ich habe das Gefühl, dass diese Ereignisse deine Fähigkeiten blockieren. Normalerweise wird jedes Problem einzeln angepackt, damit der Patient nicht überfordert wird. Ich denke du bist stark genug, um beides gleichzeitig in Angriff zunehmen. Wenn du allerdings anderer Meinung bist, dann musst du es mir sagen! Und eines solltest du auch bedenken... Allein kannst du keines von deinen Problemen bewältigen...“ Sophie stand auf, ging in Richtung Replikator und ließ dadurch den Chefingenieur Zeit zum überlegen.

‚Allein kannst du deine Probleme nicht bewältigen...’, hallte es in Mac Calhouns Kopf wieder. ‚Ja das weiß ich! Und genau das bereitet mir Probleme. Aber ich muss es tun, sonst werde ich nachher noch verrückt ... Noch kann ich die Gedanken der anderen recht gut kontrollieren. Wenn die Blockade, von der Sophie erzählte, vollständig zusammen fällt – wer weiß, vielleicht schaffe ich dann nicht mehr, sie zu kontrollieren. Und dann hätten die Borg letztendlich doch über mich gesiegt – aber das werde ich nicht zulassen!’, dachte Mac und schaute dem Counsellor hinterher.

„Zwei Heiße Schokoladen!“, sagte der Counsellor. Gleich darauf materialisierten zwei dampfenden Tassen im Ausgabefach. „Hier bitte.“ Sie stellte eine Tasse vor den leicht unsicher wirkenden Mac Calhoun. „Bist du bereit, mit mir zusammen zuarbeiten?“ Mac nahm die Tasse in die Hand und starrte hinein. Dann atmete er tief durch und sagte mit selbstsicherer Stimme: „Ja, ich denke wir beide werden das zusammen schaffen...“ Sophie lächelte ihm aufmunternd zu. „Gut, dann lehn dich zurück und hör auf meine Stimme...“

Der Counsellor senkte bei diesen Worten ihre Stimmlage und beobachtete den Erdenmann, dieser lehnte sich zurück und schloss die Augen. Als Sophie sicher war, dass Mac vollkommen entspannt war, sprach sie mit ruhiger Stimme weiter. „Konzentriere dich auf meine Stimme und vergiss alles um dich herum. Ich bin bei dir... Wir werden jetzt eine kleine Reise in deine Vergangenheit unternehmen – diese Reise kannst du jeder Zeit unterbrechen... Erinnere dich an den Vorfall vor gut einem Jahr, Mac... was ist mit dir auf deinem Schiff geschehen? Erzähl mir davon...“


Logbucheintrag Chefingenieur Calhoun

Mac entspannte sich, so wie Sophie es ihm sagte. Er fühlte diese Welle immer intensiver und sie übernahm völlig die Kontrolle über ihn. Er begann sich zu erinnern.

Die Borg, der Kampf, den Tod von vielen Besatzungsmitgliedern und ... NEIN!!!

Er stand abrupt auf – schweißgebadet. Sophie ging gleich zu ihm, um ihn zu beruhigen.
„Ist Okay. Das passiert in der Regel die ersten Male, bis du dich daran gewöhnt hast, Mac. Beruhige dich wieder.“ Sie nahm ihn in den Arm, wie eine besorgte Mutter ihr Kind. Mac setzte sich wieder und ließ sich ein weiteres Mal von dieser Gefühlswelle erfassen. Er konzentrierte sich jetzt stärker als vorher.

Wieder erschienen die Bilder. Der Angriff auf die Flotte, die Zerstörung von McAdams Schiff, die Eindringlinge auf der Brücke. Jetzt nahm er auch die Bilder wahr, die er eben zu verdrängen versucht hatte.

Der Tod seiner Navigatorin. Sie waren ein Paar gewesen – alle wussten es. Doch seine Mannschaft schwieg. Sie wollten ihn und Kathy schützen. Er sah sich jetzt bei einem Missionsbriefing in der Besprechungslounge mit seinem 1.Offizier, der ihm eine gewaltige Standpauke hielt. Der durfte das. Beide waren Freunde, sehr lange schon. Und sie wussten, was der andere dachte. Sein 1.Offizier, Daniel Caffee, zählte ihm die Vorschriften auf, die er als Captain und Sternenflottenoffizier verletzt habe und dass das verantwortungslos gegenüber der Mannschaft sei. Caffee machte das gut und hätte es auch fast geschafft. Mac ertappte sich dabei, wie er der virtuellen Person Caffee eine Antwort geben wollte. Er schmunzelte und Sophie sah es. Sie nahm all das wahr, was er im Augenblick sah und wahrnahm. Durch die mentale Verbindung, die sie mit Calhoun eingegangen war, konnte sie sich ein genaues Bild machen.

Jetzt wechselte das Bild und er sah den Kampf bei Wolf 359 wieder. Die Excalibur flog das Angriffsmanöver Teta-Gamma-9 und attackierte den Borg-Kubus. Calhoun ließ die Feldgeneratoren ummodulieren, so dass die Angreifer seine Schilde nicht durchbrechen konnten. Admiral Decker auf dem Führungsschiff der 2. Flotte gab Befehl, eine Rotte aufzumachen und konzentriert den Kern anzugreifen. Die drei Schiffe, die sich zur Rotte zusammenschlossen, hatten auch guten Erfolg beim Vorankommen. Nur McAdams Schiff blieb auf der Strecke. Er war ein so guter Freund gewesen und der Verlust erschütterte Calhoun im tiefsten Inneren. Doch es gab jetzt kein Zurück mehr. Er befahl die Photonentorpedos auf maximale Energieintensität einzustellen und die Phaser gebündelter abzufeuern. Das klappte auch. Doch durch einen kurzen Augenblick der Unachtsamkeit erfasste ein Traktorstrahl der Borg die Excalibur und hielt sie fest. Calhoun befahl Schubumkehr, aber nichts passierte. Momente später materialisierten ein Dutzend Borg auf der Brücke und es gab ein heilloses Durcheinander. Fünf oder sechs von ihnen konnten beseitigt werden, aber die anderen schafften es, ihre Individualschilde rekonfigurieren und so fast die halbe Brückenmannschaft ausradieren. Calhoun setzte sich mit allem zur Wehr, was er hatte. Doch erfolglos.

Mac fiel ein besonders großer Borg auf, der eine Art Rucksack zu tragen schien. Jetzt ging dieser in Richtung Calhoun los und feuerte eine Art Impuls auf ihn ab. Calhoun war wie erstarrt. Er konnte sich nicht regen, nahm aber das allgemeine Chaos auf der Brücke war. Jetzt erschien endlich der Sicherheitsdienst mit frischen Phasern und eliminierte die Borg. Caffee erholte sich schnell von seiner Bewusstlosigkeit und nahm den Platz der Navigatorin ein. Zuerst war Mac gar nicht richtig klar, wessen Platz Daniel Caffee eingenommen hatte. Das kam erst viel zu spät!
Sophie empfand jetzt auch seine Trauer und Verzweiflung. Sie wünschte sich, ihm davon etwas abnehmen zu können, aber es ging nicht – nicht in diesem Augenblick. Mac musste sich da durcharbeiten, um zu einem Ergebnis zu kommen. Sie sah jetzt, wie Calhoun auf die Krankenstation gebrachte wurde, auf der auch das Chaos tobte. Es gab sehr viele Verletzte, mit Brüchen, Plasmaverbrennungen durch geborstene Leitungen auf dem Maschinendeck oder durch Phaserschüsse. Jetzt schrie jemand: „Der Captain ist verletzt, Doc! Kümmern sie sich um ihn!“ Calhoun wollte verneinen – ihm ging es ja soweit gut. Abgesehen davon, dass er nicht wusste, ob er im Hier und Jetzt war, oder ob er träumte.


Logbucheintrag Counsellor Quint

Plötzlich durchwog den Counsellor eine Welle von Trauer. Kurz darauf sah sie auch warum. Sie konzentrierte sich weiterhin auf den Geist von Mac Calhoun...

Er trat mit einer bösen Ahnung auf ein Medobett zu. Darauf lag ein Besatzungsmitglied, das völlig von einer silbergrauen Decke bedeckt war. Mac Calhoun wollte am liebsten wieder kehrt machen, aber ein Kraft trieb ihn dazu, das Tuch zurück zuklappen. Und da sah er sie – Kathy. ‚Die Borg haben sie umgebracht, die Borg haben sie um gebracht’, hämmerte es in seinem Kopf.

Diese Bilder erzeugten eine solche Wut in ihm, dass er viel seiner Kraft für die Kontrolle dieser Gefühle benötigte. Diese Gefühle waren so stark und mächtig, dass Sophie recht schnell die Verbindung zu Mac Calhoun unterbrach. Sie schlug die Augen auf und sah, wie Mackenzie mit aufgerissenen Augen vor sich hinstarrte. Sophie stand auf und ging zu ihm hinüber.

„Mac!“, sagte sie, „Mac – hör mir zu! Ich weiß, was du durchgemacht hast. Fast jeder hat eine geliebte Person verloren. Wie du Kathy verloren hast war sehr grausam. Aber du darfst nicht zulassen, dass dich diese Wut von Innen auffrisst. Sonst haben die Borg noch ein weiteres Leben vernichtet. Hört du mich! Glaubst du, Kathy hätte gewollt, dass du dich den Borg geschlagen gibst?“

Bei diesen Worten schreckte Mac Calhoun auf und schaute Sophie an. Sie sah tiefe Trauer in seinen Augen. Dann blinzelte er, schüttelte den Kopf und verbarg sein Gesicht in seinen Händen. Danach hörte Sophie Quint, wie er immer wieder flüsterte: „Warum? Warum musste das geschehen....“
Genau diese Frage hatte sie sich auch immer wieder gestellt, als sie damals die Vermisstenanzeige für ihre Eltern aufgegeben hatte. Sie atmete tief durch und versuchte ihre Fassung wiederzufinden.

„Mein Gott, warum musste das geschehen?“, sagte der Chefingenieur und schaute Sophie dabei verzweifelt an. „Ich weiß es nicht Mac“, sagte sie daraufhin sanft. „Ich kann dir diese Frage nicht beantworten. Niemand wird sie dir beantworten können.“ – „Aber ich will sie nicht verlieren...“ – „Du hast Kathy nicht mehr körperlich bei dir – aber sie wird dich auf Ewig in deinem Herzen begleiten. Du wirst sie nie vergessen – das weiß ich. Es mag sein das sie mal mehr mal weniger präsent ist... aber sie wird immer bei dir sein. Glaub mir! Ich habe eine Wut in dir gespürt, der du dir selber wohl nicht bewusst warst... Du hast diese Wut unbewusst verdrängt. Genau das blockiert deine Fähigkeiten. Ich weiß, dir fällt es schwer, deine mentalen Fähigkeiten zu akzeptieren – gerade weil sie von den Borg ausgelöst wurde. Von den Wesen, die das umgebracht haben, was du geliebt hast. Aber dreh den Spieß um! Nutze diese Fähigkeiten, um den Borg das Leben schwer zu machen... Das wird dir Kathy zwar nicht zurück bringen, aber du kannst was gegen die Borg unternehmen. Und das wird dir helfen. Versuche dieses starke Gefühl in eine Kraft umzuwandeln! Wenn du willst werde ich dir dabei helfen...“

Sie blickte zu Mackenzie, stand auf und bestellte sich noch eine zweite Heiße Schokolade. Dadurch verschaffte sie Mac ein wenig Zeit zum nachdenken...

Dann schaute sie aufmunternd zu Calhoun und sprach: „ Ich denke, wir haben heute genug zusammen gearbeitet. Ich weiß, was wir beide jetzt gebrauchen können... Weißt du, wenn ich auf irgend etwas wütend bin, dann gehe ich auf das Holodeck und spiele ein Partie Squash. Na – wie wäre es mit uns Zweien ?“

Er schaute zurück und versuchte ein wenig zu lächeln. „ Okay – ich glaube du hast recht. Fürs erste reichte es wohl... Wir sehen uns in einer halben Stunde auf Holodeck III“, sagte Mac und stand dabei auf.

„Ist in Ordnung. Wer zu spät kommt gibt hinterher einen im Casino aus, ja?“
Der Chefingenieur stand auf und machte sich auf den Weg in sein Quartier, um sich etwas anderes anzuziehen. Auf dem Weg hinaus sandte er Sophie mental noch ein Dankeschön hinüber.


Logbucheintrag Chefingenieur Calhoun

In der Hoffnung, dass Mac durch das Squashspiel etwas Ablenkung erfahren würde, traf er sich mit Counsellor Sophie. Sie hatte ein – er drückte es vorsichtig aus – ein sehr interessantes Sportdress an. Mit einem verschmitzen Grinsen ging er auf sie zu und grüßte sie. „Na, wie geht ’s Dir?“, fragte Sophie nach. Calhoun erforschte kurz sein Inneres und gelangte zu dem Schluss, dass es ihm recht gut ging. „Wollen wir?“ Er stellte sich in Ausgangsposition und wartete auf Sophies Aufschlag. Sie ist die gefürchtetste Spielerin auf dem Schiff und hat auch schon einige Turniere auf Sternenflottenebene gewonnen. Ihr Aufschlag war wirklich so hart, wie erzählt wurde. Beide gaben ihr Letztes und brachten die Dauer des Spieles auf fast drei Stunden. Völlig fertig standen beide jetzt im letzten Satz und es ging um den entscheidenden Punkt. Mac und Sophie hatten jeweils einen Satz gewonnen. Sophie hatte wieder den Aufschlag und schwang den Schläger. Beide sausten durch die Holo-Halle und versuchten, den Anderen durch geschickte Manöver auszutricksen. Da Mac als Anfänger nicht die Routine in diesem Spiel hatte, war es für Sophie recht erstaunlich, wie gut er sich eingewöhnen konnte. Sie spielte einen Ball, der eigentlich unmöglich zurückzuspielen war. Doch Mac rannte los, schlug gegen den Ball, der gegen alle drei Banden schlug, und machte den entscheidenden Punkt.

Einen Augenblick war Stille in der Halle. Beide schauten sich an und schwiegen. Der erschöpfte Gesichtsausdruck von Sophie wich dann aber einem herzlichen Lachen, welches Mac ansteckte. Sie lachten einfach drauf los und konnten sich nicht wieder einkriegen. So ging das wohl fast 5 Minuten, bis Tasha die Führungsoffiziere zum Briefing und die Lounge beorderte. Irgendwie war das Timing von Tasha richtig gut, da beide jetzt eine Dusche vertragen konnten. 15 Minuten später standen sie im Turbolift in Richtung Brücke. „Vielen Dank für das Spiel.“, sagte Calhoun zum Counsellor. Ein nettes Lächeln umspielte ihre Lippen.

 

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